100 Jahre Republikgründung in Österreich: Neue Perspektiven zu Diktatur- und Demokratieerfahrungen

Projektskizze

Neue Perspektiven auf die ereignisreiche Geschichte Österreichs seit 1918 sind die Grundlage einer fruchtbaren Demokratie- und Diktaturforschung. In diesem Sinne hat sich das Projekt „100 Jahre Republikgründung in Österreich: Neue Perspektiven zu Diktatur- und Demokratieerfahrungen" zum Ziel gesetzt vier komplementäre und zeitlich chronologisch aufeinanderfolgende Fragestellungen an Österreichs Zeitgeschichte zwischen 1918 und 1955 in den Blick zu nehmen. Die Stadt Wien bildet dabei sowohl den regionalhistorischen Fokus als auch durch die hier verfügbaren Quellenbestände den gemeinsamen Ort der Recherchen in unterschiedlichen Archiven und Bibliotheken.


Linda Erker und Philipp Moritz widmen sich in ihren beiden Teilstudien der Geschichte der Ersten Republik sowie den Jahren des Austrofaschismus. Sie untersuchen unterschiedliche Aspekte früher antidemokratischer Entwicklungen und Funktionsweisen staatlicher Repressions- und Kontrollmaßnahmen im städtischen Raum.

Erker konzentriert sich am Beispiel der Universität Wien auf den akademischen Beitrag zur gesellschaftspolitischen Radikalisierung der Jahre 1918 bis 1933. Im Zentrum ihres Projektes steht die Frage nach den Entstehungsbedingungen einer antidemokratischen Hegemonie an den heimischen Hochschulen, die ein wichtiges diskursives Sprungbrett für das Dollfuß/Schuschnigg-Regime und in weiterer Folge für den Nationalsozialismus bildeten.

Moritz wiederum fragt nach dem Aufbau staatlicher Kontrollmechanismen, die durch den Austrofaschismus gegen Menschen in Anschlag gebracht wurden, die oppositioneller Umtriebe verdächtigt wurden. Er untersucht zu diesem Zweck einen der europaweit ersten Versuche, systematisch Informationen nicht über vorab identifizierte Akteursnetzwerke zu sammeln, sondern den umgekehrten Weg zu gehen und aus einer enormen Informationsmasse über zehntausende Menschen sachdienliche Hinweise für eine zielgerichtete Repressionspolitik abzuleiten. Als Untersuchungsgegenstand hierzu dient die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit in Wien und die politische Verfolgung der Regime-Gegnerinnen vor 1938.


Am Übergang vom Dollfuß-/Schuschnigg-Regime zur NS-Diktatur setzt Stephan Turmalin seine Untersuchungen an und fragt dabei nach den Entwicklungen und Maßnahmen der austrofaschistischen Museumspolitik in Wien und ihrer Transformation in die Zeit des NS-Regimes.


Die Proklamation der nationalstaatlichen Unabhängigkeit Österreichs im April 1945 stellt den Beginn der Untersuchung von Florence Klauda dar. Sie widmet sich dabei Wiener Schauplätzen der österreichischen Demokratiegeschichte und arbeitet die gesellschaftspolitisch relevanten Diskussionen am Beispiel parteinaher Jugendzeitschriften zwischen 1945 und 1955 heraus.


Alle vier Teilprojekte bauen ihre Forschungen auf noch unerschlossenen Quellen in Wien auf und leisten damit einen elementaren Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Stadt Wien im Spannungsfeld zwischen Diktatur- und Demokratieerfahrungen.




ProjektmitarbeiterInnen:

Dr.in Linda Erker
Florence Klauda, MA BA
Philipp Moritz, BA
Stephan Turmalin, MA

Publikation von Stephan Turmalin: Die Sammlung alter Musikinstrumente des Kunsthistorischen Museums in Wien während der Zeit des Nationalsozialismus, Wien 2018.