Universitäten, Mehrfachidentitäten und kulturelle Praxis im urbanen Wiener Raum im 19. und 20. Jahrhundert

Erschienen im Februar 2015 bei Verlag V&R unipress Vienna University Press, hrsg. v. Hubert-Christian Ehalt und Oliver Rathkolb

Bis heute fehlt eine qualifizierte umfassende Auseinandersetzung der Wechselbeziehungen zwischen der Wiener Bevölkerung, der Wiener Stadtverwaltung und den Universitäten.

Ausgangspunkt der Studie wird die Zeit nach 1945 sein. Mit dem Blick auf das 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien wird die Beziehung zwischen Stadt und Universität von ihrer Gründung bis in die Gegenwart aufgearbeitet. Dabei soll die politische, soziale, kulturelle alltägliche Geschichte der Universität Wien in ihrer Beziehung zur Stadt aufarbeitet werden. All jene Aspekte werden dabei berücksichtigt, die bisher in den offiziellen Darstellungen nicht Platz gefunden haben, weil der Forschungsstand eine interdisziplinäre Verknüpfung des Politischen, Kulturellen und Sozialen in der Geschichte von Institutionen bis dato nicht möglich gemacht hat.

Die Beziehungen zwischen der Stadt, insbesondere der Stadtverwaltung und der Stadtpolitik und der/den Universität(en) ist in der Tat in den letzten 20 – 25 Jahren kontinuierlich besser geworden; es lohnt, eine Chronologie dieser Verbesserung der Beziehungsqualität nachzuzeichnen, und gegenwärtig verkörpern sich die ausgezeichneten Beziehungen wesentlich auch in sehr guten persönlichen Beziehungen zwischen den leitenden Funktionären der Stadt Wien und der Universität Wien. Die beschriebene Annäherung kommt wesentlich in vielfältigen gemeinsamen Projekten zum Ausdruck, die grosso modo bewirken, dass die Stadt ihr Theoriedefizit, die Universität Wien ihr Praxisdefizit erfolgreich bearbeitet haben.

Forschungsrelevant sind auch Änderungen und Kontinuitäten in der Verwaltungspersonalrekrutierung durch die Wiener Stadtverwaltung von AbsolventInnen der Wiener Universitäten und deren Verbindung mit ihren Ausbildungsinstitutionen (durch Lehraufträge, Professuren, Forschungsaufträge etc.).

Ein wichtiger weiterer Forschungsbereich wären die universitären Kontakte zwischen dem Amt für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung (so die Bezeichnung der Magistratsabteilung 1955) und ihren Vorgängerinstitutionen bzw. bis herauf in die Gegenwart.

Als Abschluß werden die Auswirkungen von Migration im 19. und 20. Jahrhundert auf Studierende und Lehrende der Universität Wien thematisiert.

In einem zweiten Projektteil zum Thema „Mehrfachidentitäten und Kulturelle Praxis im Wien der Gegenwart“ soll ein historischer Vergleich seit der ersten Globalisierung um 1900 mit der gegenwärtigen Entwicklung im Kontext mit der zweiten Globalisierung gezogen werden.

Gesellschaftliche Probleme entstanden und entstehen historisch in einem Spannungsfeld von gesellschaftlichen (und politischen) Ursachen einerseits und kulturellen Ursachen (unterschiedliche kulturelle Praxis) andererseits. Beide Komplexe hängen und hingen auf unterschiedliche Weise zusammen.

Wien hat in den letzten 200 Jahren deutlich die Identität einer Zuwanderungsstadt angenommen. Es wurden die Auseinandersetzung mit und die Integration in andere Kulturen gelernt. Ausgangspunkt der Überlegungen über die Gegenwart ist eine neue Auseinandersetzung mit der These des angeblichen „Schmelztiegels Wien um 1900“. Man kann aus dem Vergleich dieser beiden Phasen sehr viel über Migrations- und Integrationsprobleme von Zuwanderern lernen. Besonders kann man lernen, dass Identität, insbesondere ethnische Identität kein „chemisch reiner“ Anfangs- oder Endzustand, sondern ein Prozess ist.



Team: Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, Dr. Theodor Venus

Förderer: Kulturabteilung der Stadt Wien MA 7, Wissenschafts- und Forschungsförderung

Kontakt: theodor.venus@univie.ac.at